Wir zerlegen Kanjis: die wichtigsten Kanji Radikale erklärt

Kanji Radikale machen uns das Leben einfacher. Dank ihnen können wir unbekannte Zeichen bequem im Wörterbuch nachschlagen, gedanklich sortieren und häufig auch thematisch zuordnen. Kurzum: Die wichtigsten Vertreter sollte man kennen, und wir stellen sie in diesem Artikel vor.

Was für ein Glück, dass es Kanji Radikale gibt! Ansonsten wäre es sehr mühsam, die japanische Schrift zu meistern. Einige der am häufigst Verwendeten bilden für sich selbst ein grundlegendes Kanji – Baum, Herz, Sonne – und brauchen nicht groß besprochen zu werden.

samurai

Der stolze Krieger wurde in seinem Radikal 士 doch arg vereinfacht. Wenig blieb von seiner Glorie, aber zumindest hat er noch einen festen Platz in der japanischen Schrift.

Schwieriger wird es, wenn sie aus Platzgründen abstrahiert werden. Oftmals erinnern sie dann kaum noch an ihre ursprüngliche Gestalt und geben uns große Rätsel auf. Auch begegnen uns wichtige Radikale, die keinem eigenen Kanji entlehnt sind, aber Hinweise auf die gesuchte Bedeutung liefern. Selbstverständlich sind es zu viele, für einen einzigen Artikel – falls Interesse besteht, werden daher weitere folgen.

1. Samurai / Gentleman 士

Das Samurai-Radikal (shi) ist eine typische Anfängerfalle: ein winziges Detail nur unterscheidet es von dem Kanji für Erde , nämlich der aller unterste Strich, der bei etwas kürzer ausfällt. Man begegnet diesem Radikal permanent, so zum Beispiel in る (uru, verkaufen), む (yomu, lesen) oder 婚 (kekkon, Heirat).

Ürsprünglich – vor allem im alten China – bedeutete das Radikal eher „Gelehrter“, während es in Japan vor allem mit „Gentleman“ und „Samurai“ assoziiert wird.

Es tritt auch als eigenes Kanji auf, ist aber eher fortgeschritten (Beispiel: 紳 / shinshi, Gentleman).

2. Straße 辶

Das Radikal ist recht bildhaft zu verstehen: in piktografischer Form stellt es eine Straße dar.

Wir finden es beispielsweise inく (chikaku, nah), ぶ (asobu, spielen), (michi, Weg/Straße), – (-shuu, Wochensuffix), す (zurückbringen, zurückgeben), れる (tsureru, jmd. mitnehmen, führen).

straße

Eine gekrümmte Linie, so wird die Straße als Radikal dargestellt. Bleibt zu hoffen, dass wir uns darauf nicht verirren.

Alle diese Vokabeln haben im weitesten Sinne etwas mit einer Straße oder einem Weg zu tun, einzig bei „Woche“ ist der Zusammenhang weniger offensichtlich. Beim Schreiben der Kanji ist zu beachten, dass das „Straße“ Radikal stehts zuletzt geschrieben wird.

3. Wasser 氵 und Eis 冫

Sowohl Wasser, als auch Eis finden sich als Radikal zumeist entweder auf der linken Seite des Kanji oder auch am unteren Rand. Mit den ursprünglichen Kanji (Wasser) und (Eis) haben sie in dieser Form nur noch wenig gemein.

Beachtung verdient die Schreibweise der Radikale: Man schreibt sie sehr ähnlich wie Katakana シ: zunächst wie gewohnt die beiden oberen Striche (im Falle von Eis ist es nur einer), dann aber den untersten Strich von links unten nach rechts oben. Man setzt die Feder auf, presst relativ fest und lässt sie dann nach oben „springen“. Normalerweise ist die Regel „wie das Wasser fließt“ zu schreiben, bei einer diagonalen Linie also von oben nach unten – es gibt aber auch Ausnahmen, wie diese hier.

wasser

Leicht zu verstehen: Die Gestalt des Wasserradikals erinnert an spritzende Tropfen

Thematisch sind die Radikale natürlich selbsterklärend und bieten oft einen guten Hinweis auf die Bedeutung des Kanji. So zum Beispiel in (ike, Teich), (umi, Meer), う (arau, waschen), 蔵庫 (reizouko, Kühlschrank).

axt

Erinnert 斤 an eine Axt? Nunja, vielleicht mit viel Fantasie…

4. Die Axt 斤

Kanji sind zumeist alt, und in früheren Jahrhunderten war die Axt eines der bedeutensten Werkzeuge im täglichen Gebrauch. Kein Wunder also, dass das Radikal häufig auftaucht: So zum Beispiel in

く (chikaku, nah), しい (atarashii, neu) , り (inori, Gebet),  (tokoro, Ort / Platz).

Wirklich selbsterklärend ist das Auftreten des Radikals in den seltensten Fällen.しい ist hierbei eine der willkommenen Ausnahmen: Es ist leicht zu verstehen, dass etwas Neues häufig mit der Axt und im Stehen hergestellt wurde.

Wenn uns die anderen Kanjis vielleicht verwundern, muss man bedenken, dass das Radikal im alten China noch eine weitere Bedeutung hatte: Es war ein Gewichtsmaß, das „Jin“, und entsprach etwa einem halben Kilogramm.

Offenbar glichen die damals verwendeten Waagen – mit etwas Fantasie – einer Axt (so behauptet es z.B. Fazzioli, „gemalte Wörter“).

faden

Klein und zart: das Radikal 糸 bedeutet „Faden“

5. Faden 糸

Im Chinesischen tritt das Zeichen auf – es bedeutet soviel wie „zart“. Ihr wisst vielleicht auch, dass die untere Hälfte, , soviel heißt wie „klein“ und im gleichbedeutenden Adjektiv さい (chisai, klein) auftritt. Was könnte zarter und kleiner sein, als ein Faden? Mit unserem Vorwissen können wir das Radikal daher leicht verstehen.Wir begegnen ihm beispielsweise in

(kami, Papier) (kurenai, tief rot, karmesinrot), 婚 (kekkon, Heirat),   (so/su, einfach), い (hosoi, eng).

Manche davon können wir logisch herleiten: so ist ein Blatt Papier ja nichts anderes als eine Familie von Fäden! Die Heirat spannt einen Faden – eine Verbindung – zwischen zwei Menschen. Allerdings hoffen wir, dass sie eher stark und fest ist, und nicht „zart und klein“.

6. Das Längenmaß 寸

Ein (sun) beträgt etwa 3,3 Zentimeter. Obwohl es sich um ein altes Längenmaß handelt, wird es auch in der japanischen Architektur heute noch verwendet. So ergeben sich für viele Längen in traditionellen Gebäuden ganze Zahlen, wenn man sie in „sun“ angibt. In vielen Gegenden sind die chuu-kyouma Tatami Matten verbreitet. Ihre Maße betragen exakt 6 Shaku auf 3 Shaku, wobei ein Shaku zehn Sun entspricht.

Das Radikal begegnet uns häufig gemeinsam mit (Erde, Boden) und bildet damit das Kanji (kun: tera/on:ji, buddhistischer Tempel), welches seinerseits wieder als Radikal auftaucht.So beispielsweise in

(on: ji / kun: toki, Zeit / Stunde), つ (matsu, warten), つ (motsu, halten).

Aber auch allein begegnet uns zu Genüge:

(mura, Dorf), る (mamoru, beschützen), 筒 (fuutou, Umschlag), 敬 (sonkei, Respekt)

Wer sich über die mannigfachen Einsatzmöglichkeiten von „sun“ wundert, der muss bedenken, dass seine Bedeutung auch im übertragenen Sinne verwendet werden kann. 3,3 Zentimeter sind nicht viel, oder? kann also auch soviel bedeuten wie „wenig“ oder „kurz“. Auch wird es manchmal als Zeichen für „Siegel“ verwendet (was erklären würde, warum es in „Umschlag“ auftaucht). Eventuell, weil der Durchmesser eines Briefsiegels etwa 3,3 Zentimeter betrug? Hier ist viel Raum für Spekulation, und jeder darf sich seiner eigenen Fantasie bedienen. Nicht immer kann der Ursprung zweifelsfrei geklärt werden, manchmal wird daraus gar eine wissenschaftlicher Streitpunkt.

Sechs Kanji Radikale, sechs interessante Einblicke – die Liste ließe sich fast unbegrenzt fortsetzen. Lasst es uns wissen, falls Interesse an mehr zu diesem Thema besteht. Für dieses Mal sind wir aber am Ende unseres Artikels angekommen, wünschen euch frohe Weihnachten, eine besinnliche Zeit, und natürlich viel Muse und Spaß beim Lernen.

Posted in Japanisch lernen and tagged , .