Welche Länder kommen einem in den Sinn, wenn man „Impressionismus“ hört? Na klar, die Hochburg der Epoche, das kunstverliebte Frankreich. Vielleicht noch Deutschland, Niederlande, Russland, Italien -, eben jene Nachbarn, die notwendigerweise von der Bewegung erfasst wurden. Wenige nur wissen, dass nach dem Ende der großen Isolation auch japanische Maler fasziniert waren von den neuen Eindrücken, die sie auf ihren Reisen sammeln konnten. Es war der Beginn einer interessanten, gegenseitigen Wechselwirkung: Zwei fremde, ehemals abgeschottete Kulturen begegnen sich, stimulieren sich gegenseitig, und es erwachsen neue Sprösslinge mit ganz eigenem Reiz.
Europäer oder Japaner?
Die prominentesten Werke japanischer Künstler sind für uns sicherlich die typisch japanischen ukiyo-e Farbholzschnitte, allen voran natürlich Hokusai und Hiroshige. Umso erstaunlicher, wenn man plötzlich über ein impressionistisch anmutendes Gemälde stolpert und darunter den Namen eines Japaners ließt. Auch begegnet man der europäischen Technik der Lichtmalerei in Kombination mit traditionell japanischen Motiven, z.B. Frauen im Kimono beim Spaziergang im Garten – eine faszinierende, aufregende Mischung. Claude Monets Interesse an der japanischen Kunst war offensichtlich, zeigen viele seiner Gemälde doch Brücken im japanischen Stil oder gar traditionell japanische Kleidung (Madame Monet in einem japanischen Kostüm). Der weltberühmte Post-Impressionist Van Gogh war begeisterter Anhänger des Japonismus und ließ in die eigenen Werke sowohl japanische Gestaltungstechniken als auch Motive einfließen. Er schrieb: „Ich beneide die japanischen Künstler wegen ihrer unglaublichen Klarheit. Es ist nie langweilig und man hat nie den Eindruck, dass sie in Eile arbeiten. Es ist so einfach wie atmen. Sie malen mit ein paar Strichen eine Figur mit derartig unfehlbarer Leichtigkeit als wäre es so einfach, wie das Zuknöpfen der Jacke.“
Edgar Degas und Kitagawa Utamaro
Degas und Utamaro sind sich nie begegnet. Der eine starb 1806, noch vor Perry nach Japan segelte und zu seiner Öffnung beitrug, der andere wurde 1834 erst geboren. Beide wuchsen auf in zwei grundverschiedenen künstlerischen Millieus, die sich weitgehend isoliert voneinander entwickelt hatten. Umso interessanter, wenn man die beiden Werke miteinander vergleicht und sieht, das Degas deutlich von Utamaro beeinflusst wurde. Vor allem seine Arbeiten zur Toilette junger Mädchen zeigt zur selben Thematik ähnlich arrangierte Momentaufnahmen wie die des Japaners.
„Japans Liebe zum Impressionismus“ – eine interessante Lektüre?
Passend zum Thema existiert ein großer, farbiger Bildband. „Japans Liebe zum Impressionismus“ ist ein umfangreiches, schweres Buch, das mit zahlreichen Hintergrundinformationen aufwartet und reichhaltig mit Anschauungsmaterial illustriert wurde. Allerdings fokusiert es sich dabei sehr auf die Frage, wo in Japan welche Sammlungen von welchen europäischen Malern anzutreffen sind – eher interessant für Menschen, die europäische Kunstwerke in japanischen Museen anschauen wollen oder aber stark kunsthistorisch interessiert sind. Viele der abgedruckten Gemälde sind von französischen Malern ohne erkennbaren Japanbezug außer dem aktuellen Aufenthaltsort des Originals – ich persönlich hätte mir einen stärkeren Schwerpunkt auf den eigentlichen Inhalt gewünscht. Trotzdem ist das Buch auf jedenfall einen Blick wert und eignet sich eventuell als besonderes Geschenk für einen Freund.