„Ich lerne lieber für mich allein“ – kann man sich Japanisch selber beibringen?

Wir alle haben viel um die Ohren: Beruf, Freunde, Familie… schwierig genug, da noch Zeit für eine neue Sprache zu finden. Kann man also nicht einfach zuhause selber lernen, wenn man mal eine ruhige Minute hat? Das Eigenstudium ist sicherlich die verlockenste Lernform. Sie gibt einem Flexibilität, erspart Stress und kostet nichts – klingt gut soweit. Aber kann sowas überhaupt funktionieren? Dieser Artikel befasst sich mit den Stärken und Schwächen des “Do-it-Yourself” Projekts.

Erstmal gilt natürlich: Was ist schon unmöglich? Sicherlich hat irgendwer auf dieser Welt bereits ganz allein im stillen Kämmerlein fließend Japanisch gelernt. Ebenso gab es aber auch bestimmt mal einen Mister Eisenfaust, der einen Nagel mit dem Daumen in die Wand geschlagen hat.Vielleicht sollten wir besser fragen: Ist es ein empfehlenswerter Ansatz, und wie sehen die Erfolgsaussichten aus? Zunächst hängt das natürlich vor allem von euch selber ab.

 “Und die anderen haben gesagt, ich soll mit dem Flugzeug fliegen!” - Auf eigene Faust zu lernen muss nicht unbedingt verkehrt sein. Abhängig von Persönlichkeit und Arbeitsweise könnte es aber durchaus sein, dass man sich mit einem anderen Ansatz bedeutend leichter tut.

“Und die anderen haben gesagt, ich soll mit dem Flugzeug fliegen!” – Auf eigene Faust zu lernen muss nicht unbedingt verkehrt sein. Abhängig von Persönlichkeit und Arbeitsweise könnte es aber durchaus sein, dass man sich mit einem anderen Ansatz bedeutend leichter tut.

Lerntyp und Persönlichkeit

Ihr solltet euch folgende Fragen stellen:

  • Arbeitet ihr gerne selbstständig und seid damit erfolgreich? Verdirbt euch ein äußerer Zwang eher den Spaß oder braucht ihr so ein bisschen Druck, um in die Gänge zu kommen? Manche Menschen tun besser daran, sich in aller Ruhe selber ihre Gedanken zu machen als sich in einem Kurs berieseln zu lassen. Andere schlafen da über dem Lehrbuch schonmal ein.
  • Wie sieht es (Hand aufs Herz) mit euren autodidaktischen Fähigkeiten aus? Habt ihr euch denn schon mal etwas selber beigebracht? Würdet ihr euch eher als autodidaktischen Typ bezeichnen? Es ist keine Schande, hier mit Nein zu antworten.
  • Wie hoch ist eure Frustrationsgrenze? Werft ihr schnell das Handtuch?
  • Wie dringend müsst ihr schnell Erfolge erzielen? Zuhause selber Lernen ist keine schnelle Methode. Wer sich bald aus beruflichen Gründen in den Flieger nach Japan setzen muss, der tut besser daran, zu ein paar anderen Mitteln zu greifen.

Es ist an dieser Stelle wichtig, ehrlich zu sich selber zu sein und die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen, und ein sprachliches Themengebiet auf eigene Faust zu erarbeiten ist keine Grundvoraussetzung im Leben.

So sieht die klassische Variante aus: hinter der Schulbank eifrig mitschreiben, dem Lehrer an der Tafel zuschauen. Nicht immer muss die konventionelle Methode aber auch die beste sein.

So sieht die klassische Variante aus: hinter der Schulbank eifrig mitschreiben, dem Lehrer an der Tafel zuschauen. Nicht immer muss die konventionelle Methode aber auch die beste sein.

Unterschiedliche Formen des Selbststudiums, unterschiedliche Erfolgsaussichten

Ein eigenständiges Japanischstudium kann sich natürlich unterschiedlich gestalten. Da wäre zunächst der absolute Hardlineransatz: „Ich und das Buch“. Ihr beschränkt euch auf Lehrbücher und euren Kopf, nicht mehr und nicht weniger. Mit diesem Minimalistenprogramm ist es durchaus möglich, sich einen Grundwortschatz und die einfachste Grammatik beizubringen. Arg viel weiter werdet ihr aber höchstwahrscheinlich nicht kommen, denn es fehlt euch sowohl Sprachpraxis als auch ein Ansprechpartner, der euch bei verwirrenden Themen weiterhilft. Begegnet euch zum Beispiel eine unbekannte Grammatikkonstruktion, ist es alleine schon schwer, überhaupt den Aufbau zu verstehen. Sehe ich da gerade ein einziges Wort oder zwei? Gehört diese kleine Silbe da noch zum Verb oder schon nicht mehr? Viel Glück dabei, das selber rauszufinden. Die radikale Minimalistenmethode ist die Einzige, von der ich generell abrate, denn Misserfolg und Frustration sind hier schon vorprogrammiert.

Die Welt ist gut vernetzt und Wissensaustausch problemlos über das Internet möglich. Während man natürlich Hilfe über Facebook & Co. bekommen kann, ist ein direkter Kontakt von Mensch zu Mensch meistens effizienter und nicht zuletzt auch persönlich bereichernder.

Die Welt ist gut vernetzt und Wissensaustausch problemlos über das Internet möglich. Während man natürlich Hilfe über Facebook & Co. bekommen kann, ist ein direkter Kontakt von Mensch zu Mensch meistens effizienter und nicht zuletzt auch persönlich bereichernder.

Der nächste Schritt ist zumindest online Hilfe zu holen: Tandemseiten versprechen den unkomplizierten Kontakt zu Muttersprachlern, und wenn er denn wirklich zustande kommt, ist das eine gute Sache. Fraglich bleibt einzig, wie intensiv diese Lernerfahrung in Wahrheit ausfallen wird; eine kurze Email im Monat bringt euch natürlich nicht viel weiter, und wenn man nur redet und sich gegenseitig nie auf Fehler hinweist, dann ist das vergebene Liebesmüh. Onlineforen sind eine gute Anlaufstelle, um auftretende Fragen zu klären und schneller an die gewünschte Information zu kommen, als mit Google. Normalerweise findet man immer eine ganze Reihe von Experten, die auf den eigenen Beitrag antworten – leider natürlich nicht nur diese. Man sollte gut aufpassen, wer da schreibt und welche Reputation er in der Community genießt, schließlich kann sich ja jeder anmelden und seine Weisheiten zum Besten geben. Sehr gut sind Systeme, die über ein ähnliches “Like Feature” verfügen, wie Facebook. Eine große Anzahl an Zustimmern kann die gute Gewissheit bringen, dass man es mit einer verlässlichen Quelle zu tun hat.

Am besten ist es natürlich, einen Tandempartner im Real Life zu kennen, vielleicht noch einen Freund zu haben, der gut Japanisch spricht. Mit solchen Voraussetzungen halten sich die Nachteile gegenüber einem klassischen Japanischkurs in Grenzen.

Gefahren des Selbtstudiums

Die zwei größten Gefahren, auf die es beim do-it-yourself Sprachtraining zu achten gilt, sind:

1. Einseitigkeit

Ihr seid euer eigener Herr und lernt die Themen, die euch gefallen. Motivation kann das Ergebnis sein, befriedigendes Arbeiten… die Gefahr ist aber groß, dass ihr unliebsame Gebiete ganz vermeidet und Lücken aufbaut. Vielleicht fühlt ihr euch eines Tages sogar fit für Alltagskonversationen mit Muttersprachlern, wollt an einem fortgeschrittenen JLPT Test teilnehmen… dann fragt euch jemand “wie alt bist du?” und ihr müht euch mit der Antwort ab, als wärt ihr ein blutiger Anfänger. “Mit Zahlen hab ich’s nicht so”, “Um diese ganzen Zählwörter hab ich bis jetzt einen großen Bogen gemacht”. In einem Japanischkurs an der Uni oder VHS steht das Thema nunmal auf dem Plan, Punkt um. Ob ihr das mögt oder nicht, danach fragt kein Mensch – ihr seht, auch hier birgt die Stärke der Methode auch gleichzeitig die Gefahr.

2. Stagnation

Wie für die meisten Punkte, so gilt auch für diesen hier: es ist Typsache! Bei mir persönlich ist die Gefahr größer, einen längeren Kurs hinzuschmeissen, der mich langweilt, mich nervt und mir mit den verschulten Lehrstunden vielleicht sogar die ganze Sprache verleidet, andere brauchen diese “Verbindlichkeit” und neigen ganz ohne Rahmen dazu, irgendwann einfach aufzuhören. Ursache dafür können mangelnde Disziplin sein, oder mangelnde Motivation, oder aber – wahrscheinlich am häufigsten – eine ungute Mischung aus beidem.

Zusammenfassend ergibt sich die Antwort auf die zentrale Frage „Kann man sich Japanisch selber beibringen?” aus einer Vielzahl an Faktoren wie Persönlichkeit, Lernstrategie, verwendete Hilfsmittel und nicht zuletzt Motivation. Grundsätzlich ausschließen braucht man die Option sicher nicht – die nötigen Informationen müssen nicht aus dem Mund eines bezahlten Lehrers kommen, die Beschäftigung mit dem Thema nicht unbedingt in einem Klassenzimmer stattfinden. Wichtig ist jedoch, seinen Lernerfolg kritisch zu beobachten und nötigenfalls umzuschwenken, wenn es alleine nicht klappt. Schade wäre es, wenn man es nur aus reiner Bequemlichkeit selber versucht und die Sprache am Ende frustriert an den Nagel hängt.

Posted in Japanisch lernen and tagged , .

8 Comments

  1. Toller Artikel. Ein Patentrezept gibt es leider nicht. Da lernt wohl jeder anders. Ich hätte mir spontan noch ein paar Links zu guten Onlineforen gewünscht. Hast du da Empfehlungen?

    • Hallo Daniela,
      meines Wissens nach sieht es mit deutschsprachigen Onlineforen leider ziemlich mau aus. Da gibt es das „japanisch Netzwerk„, und natürlich die Facebook Gruppen („japanisch Lernen“ und „Tandem deutsch-japanisch“)… leider ist es das dann auch schon wieder gewesen!
      Früher gab es embjapan.de, aber ich hab monatelang versucht mich da zu registrieren und vergeblich auf die Freischaltung gewartet. Die Admins reagieren nicht, die Seite wirkt für mich relativ tot.

      Viele Grüße,
      Alex

  2. Man muss natürlich drauf achten, genug Hörtraining zu bekommen, nur mit einem Buch geht es natürlich nicht. VHS-Kurse sollen vom Tempo eher langsam sein wie ich hörte, habe nie einen gemacht, weil ich keinen in der Nähe hatte. Ich hab selber mit Lehrbuch + Anki gelernt, bzw. lerne immer noch damit, und Anime gucken trainiert das Hörverständnis ganz gut. 🙂

    LG, nao

    • Hallo Nao,
      ich stimme dir absolut zu, Hörtraining ist wichtig. Bei Anime ist es aber manchmal gar nicht so leicht, was passendes zu finden. Ich bin überrascht, wie viel „kuriose“ Sprache man darin doch findet, also starken Slang oder archaiische Sprache oder Akzente von Ausländern usw… klar, soll ja auch für einen Muttersprachler interessant sein. Allgemein ist es aber eine schöne Art, japanisch zu lernen 😉

      Viele Grüße,
      Alex

  3. Hi,

    Schöne Seite habt ihr hier. Und auch etwa zeitgleich gestartet wie ich meine über Japanisch.

    Ich glaube es ist sogar notwendig zumindest einen großen Teil selber zu lernen.
    Es gibt eine große Menge an Kanji, Vokabeln und grammatikalischer Ausdrücke die man schlecht in einem hohen Tempo in Kursen behandeln kann.
    Ich habe viel aus Grammatikbüchern gelernt. Tae Kim’s Guide to Japanese war mir damals eine gute Quelle. Für das Hörtraining und Aufbau von aktivem Vokabular habe viele Dramas geschaut.
    Also so wie nao

    Jakob

    • Hallo Jakob, danke für dein Lob!
      Ich habe gerade deine Seite angeschaut und muss sagen: Respekt! Da gibts wirklich viel und interessantes Material. Sobald ich mehr Zeit habe, will ich mich genauer damit beschäftigen. Aber zum Beispiel die Idee mit dem „Cheat Sheet“ ist wirklich gut. Weiter so 😉

      Viele Grüße,
      Alex