Für gewöhnlich lerne ich gerne Japanisch, es macht mir Spaß. Ein paar Dinge gibt es aber durchaus, die mich zur Weißglut treiben können. Es sind Ausdrücke, deren Verwendung ich hundertmal im Lehrbuch gelesen und ebenso oft aus dem Mund eines Japaners gehört habe. Jedoch, wann immer ich es selbst mal lässig versuchen will, werde ich nur getadelt: „Ähm…naja, das klingt etwas unnatürlich… etwas Fehl am Platze“. Dazu zählen auch scheinbar simple und grundlegende Wendungen wie „yo“ und „da yo“. Ließt man über deren Verwendung im Lehrbuch, scheint das ja alles gar nicht so wild – aber leider steckt der Teufel im Detail. Dieser Artikel ist mein persönlicher Versuch einer Annäherung.
Honki da yo!
Es gibt diese Simpsons Episode, in der Homer die Verpackung eines japanischen Reinigungsmittels findet: dem berühmten „ミスタ スパーコル“ („Mr. Sparkle“, im Deutschen „Meister Glanz“).
Zu seiner großen Verwunderung findet er dort groß und in japanisch bunter Manier sein eigenes Gesicht abgebildet. Durch diesen merkwürdigen Umstand neugierig geworden, kontaktiert er die Herstellerfirma in Japan und erhält schon wenig später ein Werbevideo per Post, das all seine Fragen klären soll. In diesem Video (siehe unten) fängt das „Meister Glanz“ Maskottchen an, durch die Gegend zu fliegen und auf Japanisch zu sprechen.
Nunja, zumindest in einer Sprache, die irgendwie nach Japanisch klingt und neben unverständlichem Kauderwelsch ein paar halbwegs korrekte Passagen beinhaltet. Gegen Ende des kurzen Werbespots, der auf überspitzte Weise unsere westliche Vorstellung von der japanischen Medienlandschaft karikiert, ruft Meister Glanz euphorisch „Honki da yo!“, was soviel bedeutet, wie „Ich meine es ernst!“. Nami meint, der Ausdruck sei mehr als merkwürdig (selbiges sagt sie über den ganzen Werbespot), da in Wirklichkeit niemand „Honki da yo!“ sage (Anmerkung: es gibt Ausnahmen, zum Beispiel bestimmten Situationen, die eine Erwiderung beinhalten; unterstellt euch jemand „Du meinst es doch nicht ernst“, könnt ihr „honki da yo“ antworten; diese Szenarien sind aber sehr begrenzt). Ich lese ihn meinem Lehrbuch nach und kann kein Problem mit „Honki da yo“ erkennen. Was läuft hier falsch?
Die Standarderklärung zu „yo“ und „da yo“ – alles, was man wissen muss?
Auf Wikipedia finden wir zum Thema „yo“ die Erklärung, die sich auch in den meisten Büchern findet:
„Yo comes at the end of the sentence, and is used to make assertions“
„Yo steht am Ende eines Satzes und wird verwendet, um Behauptungen/Erklärungen zu bilden“
So einfach diese Regel klingt, so vage ist sie auch. Kann man denn nicht eigentlich fast jeden Satz als Behauptung oder Erklärung kategorisieren, sofern er keine Frage darstellt? Also gut, machen wir doch mal den „reality check„. Wir sitzen im Restaurant mit Freunden, das Essen kommt, es schmeckt uns gut. Zeit, um unser Wissen über „yo“ anzuwenden und eine Erklärung abzugeben:
Lecker!
Das Problem: sagt ihr das völlig aus dem Nichts heraus, klingt es unnatürlich.
Etwas anderes wäre es, wenn ihr euer Gericht einem eurer Freunde empfehlen wollt:
ちょっといる? 美味しいよ! (chotto iru? oishii yo!)
Willst du ein bisschen was? Es ist lecker!
Dieser Satz klingt ganz normal. „yo“ ist hier sogar fast notwendig: ohne die Partikel würde etwas fehlen. Wir sehen also, dass die Wikipedia Erklärung für uns nur von bedingtem Nutzen ist.
„yo“ wie das englische „you know“?
Tae Kim schreibt in seinem “guide to japanese”
“When 「よ」 is attached to the end of a sentence, it means that the speaker is informing the listener of something new. In English, we might say this with a, „You know…“ “
Er vergleicht “yo” also mit dem englischen “you know”, das man manchmal ans Ende eines Satzes hängt. Wer der englischen Sprache mächtig ist, der hat damit schon mal einen ganz guten Startpunkt, aber keinen zufriedenstellenden. Schnell stellt man fest, dass die Regel nicht immer so ganz funktioniert.
Ein Beispiel:
Euere Freundin / euer Freund war mit den Einkäufen dran, hat aber die Milch vergessen. Ihr bemerkt es am Morgen, geht zu ihr und informiert sie, leicht vorwurfsvoll, dass keine Milch mehr da ist:
Wir haben keine Milch mehr!
Dieser Satz klingt im Japanischen völlig natürlich. Im Englischen könntet ihr in der Situation aber definitiv nicht sagen “There is no milk, you know” oder “we ran out of milk, you know”. Es passt schlicht und ergreifend nicht; zumindest nicht ohne vorausgegangenen Dialog. Auch eine mögliche Antwort zeigt Probleme von Tae Kims Regel. Stellt euch vor, ihr habt die Milch im Kühlschrank schlicht und ergreifend übersehen und eure Freundin berichtigt euch nun, dass sich doch welche im Kühlschrank befindet:
あるよ!
Doch! (wörtlich: „Wir haben!“, „Da ist!“)
Ausgeschlossen hier im Englischen zu antworten mit “there is, you know!”.
Es ist besser, sich klar zu machen, dass “yo” die Aussage immer in irgendeiner Form in Richtung des Gegenübers “drückt”, um mal etwas bildhaft zu sprechen. Sei es als leichter Vorwurf, als Widerspruch, als Neuigkeit, die er nicht erwartet hätte …
Ein paar Stichpunkte zur Verwendung von „yo“
Wir halten Folgendes fest:
- „yo“, kann bedeuten, dass ihr widersprecht oder in sonstiger Weise gegen (auch nur leichten) Druck eures Gegenübers anredet
- „yo“ kann bedeuten, dass ihr eurem Gegenüber eine Neuigkeit erzählt, die er so nicht erwartet hätte
- „yo“ kann bedeuten, dass ihr eurem Gegenüber etwas empfehlen oder ans Herz legen wollt
- „yo“ kann, in Verwendung mit dem resoluten „da“, die Stärke der Aussage abschwächen
Ihr seht: ihr macht immer eine Bewegung in Richtung eures Gesprächspartners. Mit dem letzten Punkt auf der Liste wird auch verständlich, warum „honki da yo“ nicht sehr natürlich klingt. Wenn jemand sagt: „Ich meine es ernst!“, dann will er auch ernst klingen, oder? Kein Wunder also, dass er mit „da“ seine Aussage entschlossener macht. Das abschwächende „yo“ am Ende erzeugt hier einen merkwürdigen Widerspruch.
„yo“ wirklich nur für Aussagen und Erklärungen?
Zum Abschluss will ich noch mal das Wikipedia-Zitat vom Anfang aufgreifen und anmerken, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Kann man „yo“ nie in einem Fragesatz verwenden? Prinzipiell nicht, das stimmt. Man hört aber häufig so etwas wie:
„やってんだ“ kommt von „やる“ und bedeutet (unter anderem) „tun, machen“, ähnlich wie „する“. An die „いる“ Form des Verbs wird „の“ angehängt um den Ausdruck zu nominalisieren und anschließend das entschlossene „だ“ anzuhängen. Durch eine Verschleifung wird es im Mündlichen schließlich zu „何やってんだ“ und erhält zum Schluss noch ein „yo“ spendiert. Der Sprecher möchte etwas sagen wie:
Was machst du denn da?!
Die Mischung aus Fragezeichen und Ausrufezeichen deutet es schon an: es handelt sich um eine rhetorische Frage, auf die eigentlich gar keine Antwort erwartet wird. Sie dient eher, um Missfallen auszudrücken oder um jemanden für sein Handeln zu tadeln. Wenn wir im Deutschen sagen „Was machst du denn da für Mist?!“ wollen wir ja auch keine Antwort hören….
Damit ist mein kleiner Angriff auf „yo“ und „da yo“ auch schon wieder am Ende. Ich hoffe, euch waren meine Erläuterungen nützlich und ihr seid im Umgang mit den Partikeln nun ein bisschen sicherer. Ich selber lerne auch immer noch dazu, und wenn ihr Hinweise, Anmerkungen oder Fragen habt, dann schreibt sie einfach in die Kommentare.
Sehr hilfreich, vielen Dank!
Super Erklärung, vielen Dank!!!!
Danke für die Erklärung, aber ich verstehe es nicht ganz.
Bei 何やってんだよ macht es den Satz so „agressiv“, dass er sich von einer Frage, in eine rhetorische Frage verwandelt, aber bei 本気だよ wird die Aussage abgemildert?
Ich hätte eher das Gefühl, dass es schon zu agressiv ist.