Eine Wonne für den Gaumen: Das köstliche Neujahrsessen „Osechi“

Habt ihr nach den Feiertagen schon wieder zurück in euren Alltag gefunden? Nach dem Urlaub kommt einem die Arbeit noch anstrengender vor, oder? Deshalb wenden wir uns heute etwas sehr Genussvollem zu: Dem ausgiebigem Neujahrsessen „Osechi“!

osechi_komplett

Sieht das nicht lecker aus? Ich hoffe, eines Tages selbst so ein guter Koch werden zu können.

Wie ich schon erzählt habe, ist auch das Neujahrsessen in Japan eine tiefsinnige Angelegenheit, mit viel Symbolik und verborgenen Bedeutungen. Diese sind aber allesamt positiv – schließlich wollen wir ja, dass uns das neue Jahr Glück und Erfolg bringt! Das Neujahrsessen heißt (wie bereits erwähnt) „Osechi“, und es hat seinen Ursprung in der „Yayoi“ Ära (etwa 400 v.Chr. bis 300 n. Chr.). Zum Wechsel der Jahreszeiten haben die Menschen damals ihre geernteten Feldfrüchte den Göttern als Geschenk dargebracht, und zwar, in dem sie ein festliches Mahl zubereitet haben. Sie nannten es „節供“ (sekku), wobei das erste Kanji „Wechsel“ und das zweite Kanji -grob gesagt- so etwas wie „Widmung“ bedeutet. Von diesem Brauch ist einiges verloren gegangen, und fast nur das große Neujahrsessen hat überlebt. Auch verschwand das zweite Kanji allmählich aus dem Wort, und übrig blieb nur noch „節“, welches wir „sechi“ lesen und mit einem respektbezeugenden „o“ dekorieren. So wurde der Name „osechi“ geboren.

Die Vorgaben für ein korrekt zubereitetes Osechi sind streng: selbst bei der Anordnung der Speisen auf dem Teller gilt es, bestimmte Regeln zu befolgen. Wir benutzen auch keine gewöhnlichen Teller sondern „Boxteller“, die wir „重箱“ (juubako) oder auch „お重“ (ojuu) nennen. Genauer gesagt besteht Letzteres eigentlich aus fünf „Boxtellern“, die man aufeinander stapeln kann – heutzutage begnügt man sich aber oftmals mit drei Tellern. In das erste (一の重, ichi no juu) legt man die Vorspeise und in das zweite kommen die Gerichte, die in Essig eingelegt oder gebraten wurden. Das dritte Teller ist der Platz für alles, was gekocht wurde. Ich zähle jetzt die Gerichte und ihre Bedeutungen auf – wie sie euch schmecken, müsst ihr aber selbst herausfinden 😉

1. Die Vorspeise: 一の重

neun osechi boxen

Im Uhrzeigersinn von rechts oben: Ofu (aus Weizen und Gulten), Tazukuri, Kazu no ko, Krabbe, Kuro mame, Kuri kintonn, Kamaboko, Gobou und in der Mittel sind Lachseier

  • 数の子 (kazu no ko, „eine Menge Kinder“) sind Fischeier vom Hering. Da der Fisch viele Kinder hat, wünscht man auf diese Art Wohlergehen für die Nachkommen
  • 田作り (tazukuri) besteht aus getrockneten Jungsardinen (五万米 gomame)
    Diese wurden früher als eine Art Dünger auf die Reisfelder gestreut. Man hofft also auf eine gute Ernte!
  • 黒豆 (kuromame) sind schwarze Bohnen. Es handelt sich um ein Wortspiel: in Japan gibt es die Redewendung „まめ に 働く“ (mame ni hataraku) und heißt so etwas wie „fleißig arbeiten“.Die schwarze Färbung der Bohne soll auch die Haut des fleißigen Arbeiters darstellen, der durch die Sonnenstrahlen auf dem Feld tief gebräunt wird. Man erhofft sich von dem Neujahrsgericht eine gute Arbeitsmoral und hohe Produktivität.
  • かまぼこ (kamaboko) ist ein „Fischkuchen“, eine spezielle Art von Surimi. Von der Seite betrachtet, hat er die Form eines Halbkreises, der an die aufgehende Sonne erinnert. Außerdem ist in Japan „rot“ und „weiß“ eine glücksbringende Farbkombination (beim Blick auf die japanische Flagge wird der besondere Wert dieser Farben ebenfalls deutlich)
  • 栗金団 (kuri kinntonn) ist ein Maronenpüree (wörtlich: Maronengoldblock)
    Samurai aßen vor Kämpfen häufig Maronen, in der Hoffnung, dadurch gewinnen zu können. Außerdem soll das Gericht an einen goldenen Schatz erinnern. Man wünscht auf diese Art, sich bei Wettkämpfen durchsetzen und es zu Wohlstand bringen zu können
  • 伊達巻き (datemaki) ist ein gerolltes Omelette und es sieht aus, wie eine alte Schriftrolle. Daher steht es symbolisch für Wissen und Bildung.

2. In Essig eingelegte oder gebratene Gerichte:  二の重

Kouhaku Namasu it's the most refreshing dish in kräftiges osechi

Kouhaku Namasu

  • 紅白なます (kouhaku namasu) Karotte/Kaki und Rettichsalat mit Essig.
    Schon wieder sind wir bei kouhaku (den Farben rot und weiß) angekommen. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an unseren Silvesterartikel, in dem die Farbkombination eine große Rolle gespielt hat. Auch in dem extravagenten Salat soll sie uns Glück fürs neue Jahr bringen.
  • 海老 (ebi) Der Hummer
    Das rote Meerestier hat einen krummen Rücken und einen langen „Bart“. Ein langes Leben soll mit seinem Verzehr erreicht werden

    Renkon

    Die Lotoswurzel hat acht Löcher – wobei es schon mal passieren kann, dass (wie hier) das ein oder andere davon in zwei kleine Löcher „verwächst“

  • 酢蓮根 (surennkonn) ist eine gebeizte Lotoswurzel.
    Diese wächst – so sagt man – in dem „reinen Land“ des Amida-Buddhas, und sie hat acht Löcher, durch die die Zukunft sichtbar sein soll
  • Tai is often portrated with Mt. Fuji and the sun and the big waves - evrything is lucky charms

    Tai wird oft zusammen mit Fuji-San und großen Wellen dargestellt – allesamt Glücksbringer

    鰤 (buri) Der „Gelbschwanz“ (yellowfish)
    Er gehört zu den Fischarten, deren Name sich während ihrer Entwicklung ändert. Wir Japaner sagen dazu „出世魚“ (shusseuo), ein „Karrierefisch“. Dieser Ausdruck hat folgende Bewandnis: Bis zur Edo Ära noch war es unter den Samurai üblich, bei einem wichtigen Wendepunkt im Leben – normalerweise bei Aufstiegen in der Hirarchie – auch den eigenen Namen zu ändern. Der Fisch wurde demnach benannt und man verspeist ihn um ebenfalls Karriere zu machen.

  • 鯛 (tai) Die Meerbrasse, ein roter Fisch. Auch hier geht es wieder um ein Wortspiel: めでたい (medetai) bedeutet „glücksverheißend“ und daher gilt „tai“ als glücksverheißender Fisch, der bei besonderen Anlässen gegessen wird.

3. Gekochte Gerichte: 三の重

  • 昆布巻き (kobumaki) ist gerolltes Seegras (kombu).
    Wieder einmal finden wir ein Wortspiel: Kobumaki beginnt mit „kobu“ und das japanische Verb für „zufrieden sein, erfreut sein“ lautet yorokobu (喜ぶ). Außerdem sieht das Gericht aus, wie eine Schriftrolle.
  • 筑前煮 (chikuzenn ni) oder auch 煮しめ (nishime) ist gekochtes Gemüse mit Hähnchen.
    Vielerlei verschiedene Gemüsearten werden dabei vermischt, in der Hoffnung, dass auch die Familienmitglieder mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten gut miteinander harmonieren werden.
    Darin finden sich:

    chikuzen ni

    Chikuzenn ni

  • 里芋 (satoimo) ist eine Art von Taro.
    Die Mutterknolle von diesem Gewächs trägt viele Tochterknollen und soll auf diese Art zu zahlreichen Kindern verhelfen
  • 椎茸 (shiitake) ist eine Art von Pilz, die wohl auch vielen Menschen in Deutschland geläufig sein dürfte. Seine Form ähnelt einem Überbleibsel aus der Samurai Ära, nämlich dem Helm, den die Soldaten beim Kampf aufgesetzt haben (陣笠, jinngasa).
  • 牛蒡 (gobou) ist die Klette. Sie wurzelt tief im Boden – so gesichert soll die Familie gegen Unheil werden.
  • 梅花人参 (baika ninnjinn) ist eine Karotte, in der Form einer Pflaumenbaumblüte. Die Herstellung erfordert eine kunstvolle Schnitztechnik und sicheren Umgang mit dem Messer. Die Bedeutung dieser Zutat ist einfach: Der Pflaumenbaum trägt immer viele Früchte, und ebenso fruchtbar sollen auch die eigenen Bemühungen sein
  • 筍 (takenoko) sind Bambussprossen. Diese wachsen ausgesprochen schnell und sollen für ebenso rasantes und gesundes Wachstum bei den eigenen Kindern sorgen

Puh, das war ja eine ganze Menge Symbolik! Wie hat euch die Liste gefallen?Alles, was zu „osechi“ gehört, ist im Normalfall recht stark gewürzt und daher länger haltbar. Man kann es daher ganze drei Tage lang essen (oder eben solange, bis es weg ist) und der Mama auf diese Art nach der Arbeit eine kleine Verschnaufpause gönnen.

If you dont want to get bullied by the mom in law that you suck at cooking - you can always resort to a departmentstore ;)

Wenn ihr euch nicht die Blöße geben wollt, eure begrenzten Kochkünste zur Schau zur stellen: Der Supermarkt hilft immer 😉

Jetzt wisst ihr, was alles zu Osechi gehört und welche Bedeutungen sich hinter den einzelnen Bestandteilen verbergen. Aber ihr wollt ja nicht nur darüber lesen, richtig? Ihr wollt es ja vielleicht auch mal selbst kochen und genießen? Nächstes Mal gibt es daher ein leckeres Rezept 🙂

Außerdem haben wir noch etwas Wichtiges vergessen: ein berüchtigtes Gericht, dass bei Neujahr – ebenso wie Osechi – nicht fehlen darf und von den Japanern heiß geliebt wird. Was es aber genau ist, das bleibt für heute ein Geheimnis 🙂

Ich hoffe, ihr fandet den Artikel interessant und freut euch schon, die Theorie bald schon in der Praxis anwenden zu können. Wenn ihr Nihongo Otsu unterstützen wollt, dann liked uns doch auf Facebook oder hinterlasst einen Kommentar.

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